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Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der tierärztlichen Behandlung von Fundtieren

 

Alljährlich während der Urlaubszeit steigt die Anzahl ausgesetzter Haustiere – meist handelt es sich um Katzen und Hunde – stark an. Nicht alle dieser Tiere haben das Glück bzw. die Chance, von einem verantwortungsbewussten Menschen gefunden zu werden. Häufig sind die Fundtiere verletzt und/oder in einer schlechten körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, weshalb die Tiere in vielen Fällen von dem tierfreundlichen Finder zum nächstgelegenen Tierarzt in die Praxis gebracht werden.

Der Tierarzt ist aus berufsrechtlichen und berufsethischen Gründen – ohne Rücksicht auf die spätere Durchsetzbarkeit der Behandlungskosten – in Notfällen verpflichtet, erste Hilfe zu leisten und das verletzte aufgefundene Tier tiermedizinisch zu versorgen. Dies ist in einer Reihe von Heilberufsgesetzen und den Berufsordnungen der Landestierärztekammern geregelt.

In einem solchen Fall werden allerdings verschiedene rechtliche Fragestellungen aufgeworfen, die für den behandelnden Tierarzt bedeutsam sein können.

Mit wem schließt der Tierarzt einen Behandlungsvertrag über das gefundene Tier ab? Unter welchen Voraussetzungen haftet ein Tierarzt, wenn ihm bei der Behandlung eines Fundtieres ein Fehler unterlaufen sollte? Muss der Tierarzt die tierärztliche Behandlung unentgeltlich vornehmen? An wen kann sich der Tierarzt wenden, wenn der Finder bei der Abgabe des Fundtieres in der Praxis deutlich macht, nicht für die Kosten der Behandlung aufkommen zu wollen? Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Tierarzt wegen der Behandlungskosten an die Gemeinde (Ortspolizeibehörde) wenden? Muss der Tierarzt den Fund des Tieres bei der zuständigen Fundbehörde anzeigen?

Sofern man auf der Straße ein Tier findet, das offensichtlich ohne Halter ist, hilft man ihm und bringt es, sofern es erkennbar krank oder verletzt ist, zum Tierarzt. Es ist nur zu verständlich, dass sich in dieser nichtalltäglichen Situation kaum jemand – so auch nicht der betroffene Finder – über die möglichen finanziellen Konsequenzen Gedanken macht. Es ist bereits eingangs erwähnt worden, dass der Tierarzt, zu welchem das aufgefundene Tier gebracht wird, ohne Rücksicht auf die spätere Durchsetzbarkeit der Behandlungskosten in Notfällen verpflichtet ist, erste Hilfe zu leisten und das verletzte aufgefundene Tier tiermedizinisch zu versorgen. Es besteht somit eine Notfalldienstverpflichtung des Tierarztes. Die Ablehnung einer Notversorgung durch den Tierarzt bei nicht geklärter Kostenübernahme verbietet sich aus berufsethischen bzw. berufsrechtlichen Gründen. Aus Sicht des Tierarztes ist sodann aber von Bedeutung, ob jemand und wenn ja wer für die von ihm geleistete Tätigkeit aufkommt, also die Behandlungskosten bezahlt. Die Rechtslage ist hier relativ schwer zu durchschauen und richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 965 ff. BGB, in welchen das Fundrecht geregelt ist.

Danach sind die Gemeinden zuständige Fundbehörde im Sinne der §§ 965 ff. BGB. Sie sind demnach verpflichtet, auch Fundtiere entgegenzunehmen und entsprechend zu verwahren. Soweit die Fundbehörde für die Unterbringung und Betreuung nicht in eigenen Einrichtungen sorgen kann, hat sie die Tiere einer geeigneten Person oder Stelle – beispielsweise einem Tierarzt – zu übergeben und die erforderlichen Aufwendungen dafür zu tragen.

Die Verpflichtung der Gemeinde, die Aufwendungen für Unterbringung und Betreuung der Tiere zu tragen, ist auf Fundtiere im engeren Sinn, also verlorene bzw. besitzlose Tiere beschränkt. Dagegen erstreckt sich die Verpflichtung der Gemeinde grundsätzlich nicht auf herrenlose Tiere. Die Unterscheidung zwischen Fundtieren einerseits und herrenlosen Tieren andererseits kann oft nicht ohne Schwierigkeiten getroffen werden.

Um ein Fundtier handelt es sich, wenn sich das Tier verirrt hat bzw. dem Besitzer dauerhaft entlaufen ist oder wenn das Tier verlorengegangen und der Besitzer unbekannt ist. Demgegenüber haben herrenlose Tiere keinen Eigentümer und können daher auch nicht verloren werden. Ein Tier kann allerdings auch dann herrenlos werden, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum an dem Tier zu verzichten, den Besitz des Tieres aufgibt. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Eigentümer – wie es leider häufig genug vorkommt – das Tier angebunden an einem Autobahnrastplatz zurücklässt, um in Urlaub zu fahren.

Im Gegensatz zu Fundtieren unterliegen herrenlose Tiere nicht dem Fundrecht. Um die vorstehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, wird auf Seiten der Gemeinden als Fundbehörden häufig bis zum Nachweis des Gegenteils davon ausgegangen, dass Fundtiere verloren worden sind und dass es sich gerade nicht um herrenlose Tiere handelt.

Zu den Aufwendungen, die die Gemeinde zu erstatten hat, gehören die Kosten für eine artgemäße Unterbringung, Pflege und Ernährung im Sinne des § 2 Tierschutzgesetz, sowie die Kosten für eine tierärztliche Behandlung der Fundtiere, soweit sie bei verständiger Würdigung erforderlich sind, um die Gesundheit des Tieres zu erhalten oder wiederherzustellen, also die Behandlungskosten für Verletzungen und akute Krankheiten sowie für unerlässlich prophylaktische Maßnahmen (z.B. Impfungen, Entwurmung). Unerlässlich sind in der Regel Impfungen, die erforderlich sind, um der Ausbereitung von Infektionskrankheiten innerhalb von Tierheimen vorzubeugen. Kosten für eine Impfung gegen Tollwut und sonstige Impfungen sind demgegenüber nicht zu erstatten. Nicht erforderlich und nicht erstattungsfähig sind auch sonstige tierärztliche Behandlungen wie Kastrationen und Sterilisierungen.

Handelt es sich bei der Verbringung eines Fundtieres zu einem Tierarzt um einen Notfall, also eine unaufschiebbare Maßnahme und ist die Fundbehörde nicht sofort erreichbar, so besteht ein Anspruch gegenüber der Gemeinde auf Kostenerstattung, wenn der Finder seiner in § 965 Abs. 2 BGB normierten Anzeigepflicht unverzüglich nachkommt. Diese Anzeigepflicht dient dazu, der zuständigen Behörde die Entscheidung über eventuelle Maßnahmen zu überlassen. Kommt der Finder dieser Pflicht nicht unverzüglich (ohne schuldhaftes Verhalten) nach, hat er selbst die anfallenden Kosten zu tragen.

Eine Erstattungspflicht der Gemeinde für die Kosten einer tierärztlichen Behandlung verletzter oder krank aufgefundener Tiere ist somit an zwei Voraussetzungen gebunden, nämlich zum einen einer Unaufschiebbarkeit der Behandlung des Tieres (Erstversorgung des verletzten Tieres) und dem Nachkommen der Anzeigepflicht nach § 965 BGB durch den Finder des Tieres. Es kann daher nur jedem in einem solchen Fall in Anspruch genommenen Tierarzt empfohlen werden, den Finder unmittelbar auf dessen Anzeigepflicht hinzuweisen und darauf zu drängen, dass dieser seiner Anzeigepflicht auch tatsächlich nachkommt. Dadurch kann der Tierarzt seinen Behandlungskostenanspruch gegenüber der Fundbehörde sichern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Finder deutlich gemacht hat, dass er ohne Rechtsbindungswillen handelt und aus diesem Grunde nicht für entstehenden Behandlungskosten aufkommen will.

Im Hinblick auf die Rechnungsstellung sollte der Tierarzt wissen, dass tierärztliche Behandlungskosten nur in Höhe der nach der tierärztlichen Gebührenordnung niedrigsten Gebührensätze zu erstatten sind.

Selbst dann, wenn eine Erstattungspflicht der Gemeinde im Einzelfall nicht in Betracht kommen sollte, muss der Tierarzt nicht zwingend auf sein tierärztliches Honorar verzichten. Häufig werden Eingriffe und Behandlungen bei Fundtieren nach dem Prinzip der sog. „Geschäftsführung ohne Auftrag" nach den §§ 677 ff. BGB durchgeführt. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen hat ein Tierarzt gegen den Geschäftsherrn (Eigentümer des Tieres) einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen (vgl. § 683 BGB).

Aus den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag können allerdings auch Schadensersatzforderungen gegen den behandelnden Tierarzt resultieren. So ist gemäß § 678 BGB der Tierarzt dem Geschäftsherrn (Eigentümer) zum Ersatz des aus der Geschäftsführung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn die Übernahme der Geschäftsführung, also der tierärztlichen Behandlung mit dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Eigentümers in Widerspruch steht und der Tierarzt dies erkennen müsste.

Eine notwendige Behandlung kranker bzw. verletzter Tiere gebietet sich aus Tierschutzgründen und erfolgt damit auch im Interesse des Tierbesitzers. Eine medizinisch begründete Euthanasie in Folge nicht behebbarer Schmerzen oder Leiden des Tieres kann unter dem gleichen Aspekt betrachtet werden. Problematisch wird es allerdings bei im Prinzip behebbaren Schmerzen und Leiden, deren Behandlung aber mit einem sehr hohen Aufwand und mit großen Belastungen für das Tier verbunden ist. Hier ist möglicherweise im Einzelfall zwischen der Belastung des Tieres durch die Behandlung einerseits und seinen Überlebenschancen andererseits abzuwägen.

Bei nichtmedizinisch initiierten Eingriffen an Fundtieren wie Kastrationen und Sterilisationen zur Verhinderung der Fortpflanzung oder zur Behandlung unerwünschter Verhaltensweisen kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dieser Eingriff im Interesse des Tierbesitzers erfolgt. Hier sind eventuelle Schadensersatzforderungen möglich. Insbesondere bei reinrassigen Tieren sollte die Tatsache Berücksichtigung finden.

 

Zusammenfassung:

Der Tierarzt sollte sich bei der Behandlung von Fundtieren an nachfolgenden Grundsätzen orientieren, um einerseits seinen Gebührenanspruch realisieren zu können und um andererseits möglichen Haftungsansprüchen zu entgehen:

Der Tierarzt ist im Sinne einer Notfalldienstverpflichtung verpflichtet, erste Hilfe zu leisten, also tiermedizinische Leistungen zu erbringen. Dies gilt sowohl für „Fundtiere" als auch für „herrenlose Tiere".

Die Behandlung des Tieres muss unaufschiebbar sein (Erstversorgung).

Beachtung der fundrechtlichen Anzeigepflicht nach § 965 BGB.

Nur Durchführung von tiermedizinisch objektiv erforderlichen Maßnahmen (Maßnahmen zur Erhaltung/Wiederherstellung der Gesundheit des Tieres; Behandlung von Verletzungen und akuten Krankheiten; unerlässliche prophylaktische Maßnahmen).

Die tierärztlichen Maßnahmen sollten dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des (möglicherweise noch unbekannten) Tierbesitzers entsprechen.

Es besteht lediglich ein Anspruch auf den niedrigsten Gebührensatz nach der GOT.

 

Rechtsanwalt Jürgen Althaus

Rechtsanwältin Sabine Warnebier

mönigundpartner rechtsanwälte

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